DESINFACTS | Ausgabe 1/2023

23 WISSEN Einflussfaktoren auf die Wirksamkeit: Der Eiweißfehler Bei der Anwendung von Flächen-Desinfektionsmitteln ist vieles zu beachten: Unter anderem muss das Wirkungsspektrum den Erregern angemessen sein, die Konzentration muss stimmen und die Fläche sollte frei von Proteinen (= Eiweiß) sein. Ist letztes nicht der Fall, kann es zum sogenannten Eiweißfehler kommen, einer Verringerung der Wirksamkeit eines Desinfektionsmittels durch ungewollte Interaktion des Wirkstoffes mit Proteinen. Proteinverunreinigungen können im Alltag schnell vorkommen, z. B. durch Blut, Eiter, Serum oder Stuhl. Wird bei solchen Kontaminationen eine Desinfektion durchgeführt, sollte entweder auf ein Desinfektionsmittel ohne Eiweißfehler zurückgegriffen, die eingesetzte Konzentration erhöht oder die Verunreinigung gründlich entfernt werden [1]. Aber woran liegt es, dass einige Wirkstoffe einen Eiweißfehler haben und andere nicht? Entscheidend dafür ist der molekulare Wirkmechanismus eines Wirkstoffes. Aldehyde zum Beispiel reagieren mit bestimmten Aminosäuren in Proteinen und es kommt zu einer chemischen Bindung. Zum einen führt dies dazu, dass die Proteine in Mikroorganismen angegriffen und die Erreger inaktiviert werden. Im Falle einer Proteinverunreinigung „verbraucht“ sich allerdings ein Großteil des Aldehyds im Desinfektionsmittel und die Konzentration reicht womöglich nicht mehr für die Inaktivierung der Pathogene. Dieses Phänomen tritt auch bei Sauerstoffabspaltern oder Halogenverbindungen auf. Diese Wirkstoffe haben einen hohen Eiweißfehler [1,2,3]. Alkohole gehen mit Proteinen keine chemische Verbindung ein, stattdessen stören sie deren dreidimensionale Struktur. Die Folge: Die Proteine entfalten sich und fallen aus, ähnlich einem Spiegelei in der Pfanne, das sich verfestigt. Ausgefallene Proteine sind nicht mehr wasserlöslich und lassen sich gerade aus Ritzen und Fugen nur schwer entfernen. Zudem können ausgefallene Proteine Krankheitserreger wie eine Schutzschicht umschließen und vor der Desinfektion schützen. Der Eiweißfehler von Alkoholen ist somit moderat. Desinfektionsmittel mit niedriger Alkohol-Konzentration wie Bacillol® 30 Sensitive enthalten neben dem alkoholischen Wirkstoff noch Tenside, die für einen geringeren Eiweißfehler sorgen, als es für reinen Alkohol der Fall wäre. Quartäre Ammoniumverbindungen (QAV) und Amine reagieren nicht chemisch mit Proteinen und sorgen durch ihren Tensidähnlichen Aufbau dafür, dass entfaltete bzw. denaturierte Proteine wasserlöslich bleiben. Diese Wirkstoffe haben einen sehr geringen Eiweißfehler. Bei der Recherche nach dem Eiweißfehler bestimmter Wirkstoffe ist allerdings Vorsicht geboten. Oftmals werden Wirkstoffe nicht korrekt angegeben und fehlerhafte Empfehlungen ausgesprochen. So auch in der Ende 2022 erschienen Empfehlung der KRINKO zur Flächenhygiene [4]. Dort heißt es, dass QAV und Alkohole einen ausgeprägten, Aldehyde und Oxidantien einen geringen Eiweißfehler hätten [4, Seite 1083]. Auch an anderen Stellen finden sich irreführende Angaben [1]. Sollten Sie Fragen haben oder unsicher sein, hilft Ihnen das HARTMANN SCIENCE CENTER gerne weiter. Fachberatung Unsere Expertinnen und Experten beraten Sie zu unseren Produkten und zu Themen rund um die Desinfektion, Hygiene und Infektionsschutz. science-center@hartmann.info Tel.: +49 (0)40 - 54 00 6 -111 entfaltetes Protein, gelöst in Wasser gefaltetes Protein entfaltetes Protein, wasserunlöslich Alkohole Sauerstoffabspalter, Aldehyde Halogene QAV, Amine modifiziertes Protein

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