8 Was haben Sie beim Umgang mit dem Atemkalk denn verändert? Wie in jeder Klinik fallen bei uns ständig Kartuschen mit verbrauchtem Atemkalk an. Die mussten bisher als besonders überwachungspflichtiger Abfall entsorgt werden. Das heißt, die wurden in Sondermüllverbrennungsanlagen unter sehr hohen Temperaturen verbrannt. Heute behandeln wir den Atemkalk, so dass man ihn anschließend wieder verwerten kann. Nicht als Atemkalk in der Medizin, aber in der Landwirtschaft. Immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Auf welche Maßnahme sind Sie denn besonders stolz? Das große Highlight ist für mich unser digitales Wertstoffmanagementsystem. Insgesamt bin ich aber auf jedes Pilotprojekt stolz, dass wir angeschoben haben. Sei es der Atemkalk oder auch das Recycling der chirurgischen Einweginstrumente, über das wir gesprochen haben. Allein hier am UKB verbrauchen wir jährlich etwa 130.000 solcher Einweginstrumente. Die landen nun nicht mehr in der Müllverbrennungsanlage. Ein anderes schönes Beispiel sind die Aluminiumverpackungen der Klammernaht-Automaten. Diese Automaten werden mit sehr hochwertigem Aluminium verpackt. Die Verpackungen werden nun bei uns gesammelt und dann einmal im Jahr über unseren Entsorgungspartner verkauft. Der Erlös wird dann gespendet an „Operation Smile“. Das ist ein Projekt, das in der Dritten Welt Kinder mit Gaumen- und Kieferspalten operiert. Neben dem guten Gefühl, das Richtige zu tun, müssen in einem Unternehmen am Ende aber auch immer die Zahlen stimmen. Ergeben sich durch die Maßnahmen, die Sie eingeführt haben, auch finanzielle Vorteile für das Klinikum? Ja, das kann man auf jeden Fall sagen. Das ist ein Vorteil, den wir im Abfallmanagement haben. Denn Entsorgung ist ein Kostenfaktor. Das Verbrennen von Abfällen wird immer teurer. Ab Anfang 2024 wird zudem jeden Tonne Abfall, die man verbrennen lässt, zusätzlich CO2-bepreist. Wir haben durch die gesamten Maßnahmen, die wir vorgenommen haben, tatsächlich auch gut Geld einsparen können. Wir haben die Logistik durch Abfalltrennung und optimierte Behälterwechsel um 39 % reduzieren können. Insgesamt sparen wir dadurch mehr als 90.000 Euro jährlich. Wir nutzen auf unseren Sammelplätzen Pressbehälter und haben auch die Entleerungszeiten angepasst. Früher wurden manche Behälter einmal in der Woche geleert, obwohl sie noch gar nicht voll waren. Das machen wir nun nicht mehr. Die werden nur noch geleert, wenn sie wirklich voll sind. Aktuell arbeiten wir daran, dass Sensoren ab einem Füllstand von 85 % automatisch eine Meldung über unser digitales Abfallmanagementsystem an unseren Entsorger schicken, damit dieser dann den Müll abholen kann. Im Prinzip müssen wir dann gar nicht mehr administrativ eingreifen. Was empfehlen Sie anderen Gesundheitseinrichtungen, die sich nachhaltiger ausrichten möchten. Wie sollte der erste Schritt aussehen? Sie brauchen auf jeden Fall eine Übersicht über ihre Abfallströme und jemanden vor Ort, der sich wirklich mit Abfall und Recycling auskennt. Wenn ein Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit glaubwürdig agieren möchte, darf das nicht die Drittaufgabe von jemandem sein, der eigentlich andere Aufgaben und nur wenige Fachkenntnisse im Abfallrecht hat. Kliniken sind rechtlich gesehen Abfallerzeuger. Und als solche sind sie verpflichtet, nachzuweisen, was mit den Abfällen passiert. Bei Verstößen drohen hohe Strafen aus dem Umweltrecht. Das heißt: Der Bereich Entsorgung braucht grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit innerhalb des gesamten Unternehmens. Aber wie man bei uns sieht, rechnet sich professionelles Abfallmanagement auch! Man muss aber auch – wie Sie – mit Leib und Seele dabei sein. Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit in Ihrem privaten Alltag? Ja, das stimmt. Das Thema hat mich eigentlich schon immer interessiert. Ich kann gar nicht sagen, wann die Initialzündung war. Irgendwann – wahrscheinlich durch die vielen Berichte, die ich damals gelesen haben – ist mir einfach klar geworden: So kann man ja nicht weiter machen! Wir nehmen uns auf die Dauer die Lebensgrundlagen auf diesem Planeten. Ich habe zwei Kinder und möchte, dass in Zukunft auch die noch in einer gesunden Umwelt leben können. Ich habe mich dann immer tiefer in das Thema eingearbeitet und es schließlich zu meinem Beruf gemacht. Beruf und Zukunft sind gute Stichworte für die letzte Frage: Wie werden wir im Gesundheitswesen in 20, 30 Jahren mit unserem Müll umgehen? Meine Vision nennt sich „Zero Waste“. Ich wünsche mir eine Kreislaufwirtschaft im Gesundheitswesen. Dazu müssten alle Akteure – angefangen von den Herstellern über die Kliniken bis hin zu den Entsorgern – an einen Tisch. Und da wird dann überlegt, wie man mithilfe von Lizenz- oder Rücknahme-Modellen ein wirklich funktionierendes Kreislaufsystem etablieren kann. Das schließt dann auch das Design der Produkte ein. Wie müssen Geräte und Verpackungen geändert werden, um weniger Abfall zu haben? Wie können die verwendeten Materialien wieder optimal in den Kreislauf zurückgebracht werden? Das sind die Fragen, auf die wir Antworten finden müssen! „Meine Vision nennt sich 'Zero Waste' “ 0 INTERVIEW Fortsetzung
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