Bakterienangst & Desinfektion Der Umgang mit Krankheiten wie Pest, Cholera und Co. sollte sich erst ändern, nachdem die Idee von winzig kleinen, nicht sichtbaren – Krankheitserregern – als Auslöser dieser Erkrankungen auch allgemein akzeptiert wurde. Selbstverständlich war das nicht, wie die Cholera-Ausbrüche im 19. Jahrhundert in Hamburg zeigen. Überhaupt war Hamburg zu der Zeit kein Vorbild in puncto Gesundheitsmanagement: „Die letzte große Cholera-Epidemie in Europa hat in Hamburg stattgefunden,“ so Prof. Dr. Philipp Osten. Ein Grund: In der Hansestadt habe man damals immer noch die Idee bevorzugt, die Cholera werde durch Ausdünstungen aus dem Boden und nicht durch verschmutztes Trinkwasser hervorgerufen. Das änderte sich laut Prof. Dr. Philipp Osten erst, als das Kaiserliche Gesundheitsamt 1894 eine Karte mit den Cholera-Toten in und um Hamburg veröffentlichte – und das Ergebnis förmlich ins Auge sprang: Die Zahl der Verstorbenen änderte sich dramatisch an der Stadtgrenze. 1OO JAHRE BODE CHEMIE In Hamburg kam damals das Trinkwasser immer noch direkt aus der Elbe. In Altona trank man bereits sandgefiltertes Wasser. Von da an war die Idee von den Krankheitserregern – die Bakterientheorie – etabliert. Mit Folgen: Bakterienangst breitete sich aus. Mit den „Bacillen“ begann deshalb auch das Zeitalter der Desinfektion. „Die Angst vor den Epidemien kehrt sich nun um in einen wirtschaftlichen Vorteil“, sagte Prof. Dr. Philipp Osten. Denn es wurde zum Wettbewerbsvorteil für eine Hafenstadt, einen „sicheren Hafen“ bieten zu können, der nicht Einfallstor für neue Krankheitserreger ist. In den 1890er Jahren entstanden die ersten Fabriken für Desinfektionsmittel daher vor allem in Hafenstädten. In Hamburg wurde zum Beispiel 1897 die Bacillol-Fabrik Sanders gegründet, aus der im Jahr 1924 die spätere „Bacillolfabrik Dr. Bode & Co.“ hervorging. Die neue Ära der Hafen-Hygiene veranschaulichte ein Foto aus jener Zeit, das Philipp Osten präsentierte: Es zeigt die „Bewachung pestverdächtiger Schiffsladung durch rattenscharfe Hunde“. 9
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