PFLEGEDIENST 1/2024

tierung erfordert die Konkretisierung in Hinblick auf die spezifische Situation in der Einrichtung. Der Standard richtet sich somit in erster Linie an die jeweilige Einrichtung und erst im zweiten Schritt an die einzelnen Pflegefachkräfte. Stärkung des Selbstständigkeit Ziel des Standards ist es, jedem Menschen mit einem pflegerischen Unterstützungsbedarf die Erhaltung oder Förderung der Kontinenz zu gewährleisten. Eine identifizierte Harn- und/ oder Stuhlinkontinenz wird beseitigt, weitgehend reduziert bzw. kompensiert. Dabei wird die Stärkung der Selbstmanagementkompetenz und größtmögliche Selbstständigkeit angestrebt. Dies erfolgt in drei Stufen: ½ An erster Stelle stehen fördernde Maßnahmen zur Vorbeugung, ½ dann können sich kompensierende Maßnahmen zur Beseitigung, Verringerung oder Kompensation anschließen und ½ falls nötig, kommt es zum Einsatz von Hilfsmitteln. Dabei wird die individuelle Belastungsebene des einzelnen Betroffenen berücksichtigt. Die jeweilige Pflegefachkraft verantwortet den pflegerischen Prozess, ggf. unter Hinzuziehung einer erweiterten Expertise, wie z. B. eines Kontinenzberaters. Patienten und pflegende Angehörige werden in den gesamten Prozess mit eingezogen. Wie geht es weiter? Derzeit wird das Instrument in 22 Projekten auf „Praxistauglichkeit“ getestet. Die Ergebnisse werden am 14. Februar 2025 im Rahmen eines Netzwerkworkshops der Fachöffentlichkeit präsentiert, die Ergebnisse fließen dann ggf. in den Standard ein. Für die Zukunft bedarf es einer Stärkung der pflegerischen Aufgaben, auch im Hinblick auf die Beratung von individuellen Hilfsmitteln und der Vergütung der Beratungsleistung. Den Kostenträgern kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Derzeit existiert keine einheitliche Studienlage zum Thema Förderung der Kontinenz. Die bisherigen zur Verfügung stehenden Studien sind eher „medizindominiert“. Insbesondere bei der Stuhlinkontinenz besteht weiterer Forschungsbedarf. Um die professionelle Pflege weiter zu stärken, muss der große Forschungsbedarf durch Aktivitäten der Pflegewissenschaft ergänzt werden. Ohne „Advanced Practice Nurse“ mit ihrem evidenzbasierten Wissen werden wir den Herausforderungen der Zukunft nicht gewachsen sein. Hierzu gehört auch, dass Case Studies und Best-Practice-Beispiele selbstverständlicher etabliert werden. Der hohe pflegerische Forschungsbedarf zu evidenzbasierten Maßnahmen in der Pflege bleibt weiterhin bestehen und stellt bei immer knapper werdenden Ressourcen eine Herausforderung dar. Ohne verstärkte gemeinsame Anstrengungen aller Professionen zur interdisziplinären Zusammenarbeit wird keine Weiterentwicklung möglich sein. Die Übernahme der Verantwortung und eine aktive Unterstützung durch das Management ist dabei unabdingbar, um klinische Endpunkte für die Betroffenen und in der Versorgungspraxis effektiv und nachhaltig zu verbessern. Die fünf Ebenen des Expertenstandards Ebene 1: Anamnese und Assessment Sie beschreibt die Kompetenzen der Pflegefachkraft zur Identifikation von Risiken und Anzeichen einer Inkontinenz. Die Ersteinschätzung dient dazu, mögliche Anzeichen zu identifizieren. Besteht ein Risiko erfolgt eine vertiefte Einschätzung und der Unterstützungsbedarf muss eingeschätzt werden. Hierzu dienen Fragen nach ungewolltem Harn- und Stuhlverlust, bereits angewendeten Kompensationsstrategien und Fragen nach Veränderungen der Haut. Im Ergebnis liegt bei Problemen eine vertiefte Einschätzung der individuellem Kontinenz-Situation vor. Ebene 2: Planung pflegebezogener Maßnahmen Die zweite Ebene legt die erforderlichen Kompetenzen zur Steuerung und individuellen Planung der Maßnahmen fest. Im Ergebnis liegt ein Maßnahmenplan zum Erhalt oder Erreichung des angestrebten Kontinenz-Profils vor. Als allgemeine Maßnahmen gelten z. B. Steuerung der Flüssigkeitszufuhr, Erhaltung der Selbstständigkeit, Umgebungsanpassung, Toilettenassistenz, Verbesserung der Grund- oder Begleiterkrankungen, Einsatz von Hilfsmitteln und Hautpflege. Zu den Maßnahmen zum Erhalt der Harnkontinenz zählen: Empfehlungen zur Koffeinzufuhr, Raucherentwöhnung, Gewichtsreduktion, Beckenbodentraining, Biofeedback und Elektrostimulation, Blasen- und Toilettentraining. Zu Maßnahmen, um die Stuhlkontinenz positiv zu beeinflussen, gehören: Beckenbodentraining, Elektrostimulation, Optimierung der Stuhlkonsistenz, Darmentleerungstraining, gezielte / geplante Entleerung oder transanale Irrrigation (TAI). Ebene 3: Beratung, Schulung, Anleitung Sie beschreibt die notwendigen Kompetenzen und die Durchführung von edukativen Maßnahmen zur Information, Schulung und Beratung. Die Betroffenen werden zu individuellen Maßnahmen geschult und kennen die geeigneten Hilfsmittel. Dem adäquaten Einsatz von Hilfsmitteln kommt eine besondere Bedeutung zu. Betroffene müssen in deren fachgerechten Anwendung geschult werden. Exemplarisch ist hier das Strukturierte Hautpflege-Konzept von HARTMANN zu erwähnen. Ebene 4: Koordination und Umsetzung Die Koordination der Umsetzung der individuell geplanten Maßnahmen erfolgt in einem interprofessionellen Team. Die Dokumentation ist transparent und für alle Beteiligten nachvollziehbar. Diese ist wiederum die Grundlage für die Bewertung der Effektivität des pflegerischen Handelns. Der Expertenstandard empfiehlt eine diskrete und sichere Versorgung mit qualitativ hochwertigen Produkten. Ebene 5: Evaluation der Versorgung Die Maßnahmen werden in individuell festzulegenden Abständen gemeinsam mit den Betroffenen und ihren Angehörigen sowie den beteiligten Berufsgruppen überprüft und ggf. werden Anpassungen vorgenommen. Das individuell höchstmögliche Maß an Kontinenz mit größtmöglicher Selbstständigkeit ist sichergestellt und das angestrebte Kontinenz-Profil ist erreicht bzw. das bisherige erhalten. 7 HARTMANN PFLEGEDIENST 1 / 2024 AKTUELL

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