WUNDFORUM 1/2021
Unter den diabetischen Folgekompli- kationen nimmt das Diabetische Fuß- syndrom (DFS) – umgangssprachlich auch „diabetischer Fuß“ genannt – eine herausragende Stellung ein. Nach Angaben der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) liegt die jährliche Neuerkrankungsrate für ein DFS bei ca. 2 %. c 1 C Literatur S. 13 Die Wahrscheinlichkeit eines DFS für die gesamte Lebensdauer eines Menschen mit Diabetes mellitus beträgt 19 bis 34 %. c 1 Und obwohl eine aktuelle landesweite Studie einen Rückgang von Major- und Minorampu- tationen in der diabetischen verglichen mit der nichtdiabetischen Population erkennen lässt, werden auch heute noch 65 bis 70 % aller Amputationen bei Patienten mit Diabetes mellitus durchgeführt. c 1 Kausalfaktoren für die Entstehung diabetischer Fußläsionen sind das Vorliegen einer diabetischen (Poly-) Neuropathie und / oder einer periphe - ren arteriellen Durchblutungsstörung (PAVK) auf dem Boden einer diabeti- schen Makroangiopathie. Obwohl sta- tistische Erhebungen differieren, kann von folgender Verteilung der DFS-For- men ausgegangen werden: In ca. 40 % der Fälle ist allein eine diabetische Neuropathie die Ursache, bei weiteren 50 % handelt es sich um eine Misch - form aus Neuropathie und einer PAVK- bedingten Ischämie. c 1 Etwa 10 % sind auf eine isolierte periphere Durch- blutungsstörung zurückzuführen. Neuropathische Ulzera Die diabetische Neuropathie, charakte- risiert als eine zunehmende Glykolisie- rung („Verzuckerung“) der Nervenzel - len und konsekutive Schädigung des Nervengewebes, erfasst autonome, sensorische und motorische Fasern gleichermaßen. Klinisch führen diese Schädigungen allein oder gemeinsam zu den typischen Veränderungen am Fuß des Diabetikers: Es kommt zu Funktionsverlusten der Fußmus- keln mit Schädigungen der Knochen, wobei sich das Fußgewölbe bis in das Sprunggelenk hinein verändern kann. Die Folgen davon sind ½ Störungen der Bewegungsabläufe und Fehlstellungen der Zehen, ½ unnatürliche Druckverteilung beim Stehen und Gehen mit Überlastung einzelner Stellen, ½ häufig verstärkt durch nicht physio - logisch geformtes Schuhwerk (zu hohe Absätze, schlecht passende Schuhe usw.). Es bilden sich Schwielen (Hyperkera- tosen) und Blasen, die sich infizieren und zur typischen Wunde des neuro- pathischen Fußes, dem „Malum perfo- rans pedis“ (auch „Mal perforant“) ent - wickeln. C S. 10 Die am häufigsten betroffene Stelle ist die Fußsohle im Bereich der Zehengrundgelenke, weil hier beim Gehen eine hohe Druckbe- lastung entsteht. Weitere Auslöser können sein: ½ thermische Traumen (z. B. durch zu heiße Fußbäder oder Heizkissen), ½ Bagatellverletzungen (z. B. durch Barfußlaufen, eingewachsene Zehennägel) Erste Anzeichen neuropathischer Stö- rungen in den Beinen sind ½ Hauttemperatur warm, ½ Hautbild trocken, rissig, ½ Brennen und Kribbeln, ½ Taubheitsgefühl, ½ ggf. Schmerzen in Ruhe, insbeson- dere nachts, ½ jedoch kaum Schmerzempfindun - gen bei Verletzungen. Das verminderte Schmerzempfin - den zieht oft eine riskante zeitliche Verschleppung bei der Behandlung nach sich. Denn bei der sich weiter ausbreitenden Infektion kommt es nicht selten zur Entzündung der Kno- chen (Osteomyelitis), die bis zum Unterscheidungsmerkmale beim DFS Neuropathischer Fuß Angiopathisch-ischämischer Fuß Ulkus verursacht durch Nervenschädigung und Druckeinwirkung Ulkus verursacht durch Gefäß- verschlüsse (PAVK) und externe Traumen langjähriger Diabetes mellitus, ggf. zusätzlicher Alkohol- konsum, weitere diabetische Spätschäden Anamnese langjähriger Diabetes mellitus, ggf. Fettstoffwechselstörun- gen, Herzerkrankungen, Rau- chen, Bluthochdruck Fußsohle, selten seitlich am Fuß Lokalisation Zehen, Fersen, Fußrücken Wahrnehmung für Vibration, Druck, Schmerz, Temperatur, Berührung sowie Reflexe beeinträchtigt bzw. nicht mehr vorhanden Sensibilität ungestört, Empfindungen vorhanden wenig bis keine (ggf. Schmer- zen in Ruhe oder nachts) Schmerzen vorhanden Hauttemperatur warm, Haut- bild trocken, rissig, „Krallenfuß“ Inspektion Hauttemperatur kalt, Hautbild wirkt krankhaft, blass-livide tastbar Fußpulse nicht tastbar häufig veränderte Knochen - struktur, frühzeitig Osteolysen (Auflösung der Knochen) Knochen- struktur selten veränderte Knochenstruktur 9 HARTMANN WUND FORUM 1/2021 WISSEN
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