WUNDFORUM 2/2022

Dieser Artikel basiert auf: Jannasch O et al., Störungen der Wundheilung, HARTMANN WundForum 1/2012; Seiler W O, Chronische Wundheilung im Alter – Wirkungsweise und Erkennen von Störfaktoren, HARTMANN WundForum 1/2010; Seiler W O, Chronische Wunden im Alter – Besonderheiten der Wundheilung, HARTMANN WundForum 2/2020; HARTMANN medical edition „Kompendium Wunde und Wundbehandlung“ zunehmender Hypoxie und Ischämie, was den Zelltod mit Nekrosenbildung zur Folge hat. Allen chronischen Wunden ist auch gemeinsam, dass sie in hohem Maße infektionsgefährdet sind, wobei durch die langen Krankheitsverläufe häufig eine Mischflora aus Staphylokokken und Enterobakterien vorliegt. Insgesamt ist die Problematik der Entstehung, Diagnose und Behandlung chronischer Wunden äußerst komplex. Basisartikel zu den Grundlagen der Behandlung der häufigsten chronischen Wunden gibt es online: Yplhn.de/wfbasis Identifikation von Störfaktoren Den ganzen Menschen einbeziehen: Eine exakte Aufnahme der Anamnese steht am Anfang, um eine ganzheitliche Behandlung zu erreichen. Dabei interessieren in erster Linie Kenntnisse über Sozialstatus, Ernährungsgewohnheiten, Krankheiten, Medikamente, Konsum von Drogen und Alkohol sowie über einen möglichen Artefakt. Medizinische Untersuchung: Eine regelmäßige medizinische Untersuchung wird Krankheiten entdecken, welche die Wundheilung beeinträchtigen. Hierzu zählen etwa Störungen der Schilddrüsenfunktion, Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz, chronische Lungenkrankheiten und andere. Laboruntersuchungen: Periodische Laboruntersuchungen sind bei minimaler oder fehlender Heilungstendenz angezeigt. Die Kosten dieser Untersuchungen stehen in keinem Verhältnis zu den aufgrund der langen Heilungszeiten anlaufenden hohen Kosten der Behandlung chronischer Wunden und zu ihrem Nutzen für die Identifizierung neuer, eventuell behandelbarer Störfaktoren. Ohne periodische Laboranalysen werden Störfaktoren, wie zum Beispiel Zinkmangel, Hypalbuminämie, Elektrolytstörungen, Anämie, Lymphopenie, Vitamin-B12-Mangel, Hyperhomocysteinämie, Folsäuremangel und viele mehr, kaum je erfasst, weil sie sich relativ symptomarm verhalten. Wundfläche beobachten: Um Störfaktoren zu erkennen, werden Wundfläche, Wundrand und weitere Wundumgebung genau beobachtet. Dabei fallen wichtige Merkmale der gestörten Wundheilung auf: schlechte Heilungstendenz mit stationärem oder einem sich verschlechternden Wundzustand über Wochen und Monate, mangelhafte oder fehlende Epithelisierung mit hypertrophen Wundrändern bei defektem Migrationspotenzial der Epithelzellen, blasser Wundgrund als Zeichen mangelnder Gefäßneubildung, fehlende Granulation, schmierige Wundbeläge mit rezidivierenden Infektionen und Nekrosebildungen aufgrund von Malnutrition mit tiefen Albuminwerten und tiefen Lymphozytenzahlen, übermäßige Fibrinbeläge als Hinweis auf Fibrinpersistenz bei verminderter fibrinolytischer Aktivität und viele mehr. Störfaktor Wundbehandlung Es sind vor allem chronische Wunden, deren lange Behandlungsdauer Störfaktoren und Behandlungsfehlern Tür und Tor öffnen. Die wichtigsten und häufigsten Schwierigkeiten sind hier kurz zusammengefasst Diagnostik & Patientenadhärenz ½ Die Ursachen für Ulzerationen werden nicht gründlich genug diagnostiziert. Dies kann zur Folge haben, dass schlecht heilende Wunden monatelang mit den verschiedensten Externa behandelt werden und Behandlungsmaßnahmen ständig wechseln. ½ Mangelhafte Anamnese und Basisdiagnostik führen auch dazu, dass die zur Abheilung erforderlichen Kausaltherapien unterbleiben oder nicht konsequent durchgeführt werden und eine effiziente lokale Wundtherapie nicht entwickelt werden kann. ½ Stehen Kausal- und Lokaltherapie fest, werden Patienten oder Angehörige oft nicht ausreichend und in einfachen Worten über ihre Krankheit und den Sinn der Behandlungsmaßnahme aufgeklärt. Darunter leidet die für den Therapieerfolg unerlässliche Patientenadhärenz erheblich oder kommt erst gar nicht zustande. Infektionsbekämpfung ½ Das Débridement erfolgt zu spät oder zu zögerlich, sodass der Patient insbesondere bei sehr infektionsgefährdeten Ulzerationen wie diabetische Ulzera oder Dekubitalulzera einem erhöhten Sepsisrisiko ausgesetzt ist. ½ Die „prophylaktische“ Anwendung antiseptischer und antibiotischer Lokaltherapeutika mit wundheilungsstörenden Nebenwirkungen erfolgt nicht selten zu häufig und zu lange. ½ Beim Einsatz von Antiseptika bzw. sonstiger Lokaltherapeutika werden deren Risiken wie Schmerzen, Wundverfärbungen oder hohes Allergisierungspotenzial nicht genügend beachtet. Lokale Wundbehandlung ½ Werden Wundauflagen nicht entsprechend dem Wundzustand und den Wundheilungsphasen eingesetzt, können die autolytischen Abläufe der Wundreinigung sowie der Granulationsbildung und Epithelisierung nicht ausreichend unterstützt und gefördert werden. ½ Verfügen Wundauflagen über keine atraumatischen Eigenschaften und verkleben sie mit der Wunde, wird beim Wechseln des Verbandes mit dem eingetrockneten Exsudat auch neu gebildetes Gewebe mit abgerissen und die Wunde zumindest teilweise in die Entzündungsphase zurückgeworfen. ½ Zudem können nicht atraumatische Wundauflagen beim Verbandwechsel starke Schmerzen verursachen. ½ Mangelnde Hygiene und nicht steriles Arbeiten bei der Verbandbehandlung stellen ein extrem hohes Risiko für (Sekundär-) Infektionen dar. ½ Bestehen bei venösen Ulzera ausgeprägte Ödeme und ist ein Kompressionsverband zum Ausschwemmen indiziert, darf dieser nur nach vorheriger Überprüfung des arteriellen Status (KADI-Messung) angelegt werden. WISSEN 15 HARTMANN WUNDFORUM 2/2022

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