PflegeDienst 2/2019

industrialisierten Gesellschaften zeigt, ist einerseits erfreulich, wirft aber auch im Hinblick auf die Teilhabe älterer Menschen am gesellschaftlichen Leben so man- che Probleme auf. Denn in den hohen und höchsten Altersstufen steigt die Wahrscheinlichkeit, pfle- gebedürftig und sozial isoliert zu sein, massiv an. Daraus ergibt sich die Situation, dass gerade dann, wenn Hilfe aus gesundheitlichen Gründen dringend notwendig wäre, vertraute und verlässliche soziale Netzwerke gestört oder gar nicht mehr vorhanden sind. Was aber sind die Ursachen für eine solche Entwicklung, die nicht nur psychische Folgen hat, sondern unter Umständen sogar zu einem vorzeitigen Tod führen kann? Hier einige Faktoren ... Veränderte Familienstruktur Die Mehrgenerationenfamilie, die zusammen in einem Haus lebt, ist selten geworden. Die Regel ist heute, dass ältere Menschen – allein, als Ehepaar oder in einer Paarbeziehung – einen sog. Ein- generationenhaushalt führen. Die Familie mit Kindern und Enkel- kindern als zentraler Bezugspunkt verliert an sozialer Bedeutung. Eine große Rolle bei dem Pro- zess der Vereinsamung spielt die räumliche und zeitliche Entfer- nung zu Kindern und Enkelkin- dern. Leben die Kinder in unmit- telbarer Nähe, begünstigt dies die persönlichen Kontakt- und Hilfs- möglichkeiten. Leben sie jedoch weiter weg und muss der Kontakt über telefonische bzw. elektroni- sche Medien gehalten werden, kann dies rasch zu Einsamkeitsge- fühlen führen. Lebensabschnitte und -krisen Der Übertritt vom Erwerbsleben in das Renten- bzw. Pensionsalter ist für die meisten Menschen – Männer und Frauen – ein sehr einschneidendes Erlebnis im Hin- blick auf die Lebensgestaltung in den späteren Jahren. Es muss eine Umorientierung erfolgen, Ver- pflichtungen werden abgegeben und im Idealfall neue Aufgaben übernommen. Oft bedeutet das Ausscheiden aus dem Berufsleben aber auch die Beendigung vieler beruflich bedingter sozialer Bezie- hungen und Kontakte, woraus sich beim Einzelnen große soziale Unsicherheiten ergeben können. Es ist dann nicht einfach, sich erneut in die Gesellschaft zu inte- grieren, was nicht selten zu sozia- ler Isolation und Einsamkeit führt. Eine Lebenskrise, die Menschen von heute auf morgen in die Einsamkeit stürzen kann, ist der Verlust des Lebenspartners . Die Wahrscheinlichkeit, den Tod des Partners erleben zu müssen, steigt dabei im höheren Alter, was eine zusätzliche Belastung für den ver- witweten Ehepartner darstellt. Viele Aktivitäten des früheren gemeinsamen Lebens, wie bei- spielsweise die Pflege und Betreu- ung des Partners, fallen plötzlich ganz weg, andere werden nicht mehr als sinnvoll empfunden. Vom Schicksal der Verwitwung und infolge von Einsamkeit, sozia- ler Isolation und auch monetärer Probleme sind überwiegend Frauen betroffen, weshalb in die- sem Zusammenhang in der Litera- tur von „Feminisierung des Alters“ gesprochen wird. Eine weitere Lebenskrise, die Menschen zumeist im hohen Lebensalter trifft, wenn sie nur noch wenig belastbar sind, ist der Umzug ins Heim . Der neue Bewohner trifft hier auf teils durch ihn selbst und teils durch die Heimstruktur vorgegebene Bedin- in Prozent der Bevölkerung der jeweiligen Altersgruppe. Ergebnisse des Mikrozensus 2017 – Bevölkerung in Familien / Lebensformen am Hauptwohnsitz. Anteil einsamer älterer Frauen und Männer [1] Anteil an der jeweiligen Bevölkerungsgruppe in Prozent. In der Untersuchung konnten die Befragten auf einer Skala von 1 bis 4 ihre Einsamkeit bewerten. Ab einem Richtwert von 2,6 wurden sie als „einsam“ eingestuft. Es wird sichtbar, dass insgesamt nur eine Minderheit berichtete, einsam zu sein. Die Messungen belegen leichte Unterschiede zwischen Eltern und Kinderlosen: Mütter und Väter fühlten sich seltener einsam als kinderlose Frauen und Männer, wobei diese Differenz nur für Männer statistisch signifikant ist. Alleinlebende nach Alter [2] Literatur DESTATIS Datenreport 2018 - Kapitel 2: Fa- milie, Lebensformen und Kinder [1] Seite 100 [2] Seite 56 60 ≤ 25 40-44 60-64 30-34 50-54 70-74 25-29 35-39 55-59 45-49 65-69 75 ≥ 40 20 Frauen Männer 0 9,5 12,4 7,5 10,4 Frauen Männer mit Kind kinderlos 8 HARTMANN PflegeDienst 2/2019 Schwerpunkt

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