PflegeDienst 2/2019

gungen, die eine spezielle soziale Situation schaffen, die kaum geeignet erscheint, die Einsamkeit des Einzelnen zu durchbrechen. Menschen, schon gar nicht alte Menschen, die oft mit dem Gefühl, abgeschoben worden zu sein, in ein Heim umziehen, gehen nicht einfach aufeinander zu, um ihre Einsamkeit zu durchbrechen. Oftmals ist zudem die Kontaktfä- higkeit aufgrund erheblicher kog- nitiver Defizite erloschen, sodass auch Pflegekräfte kaum Möglich- keiten haben, den Bewohner zu erreichen. Hinzu kommt, dass Heime oft nicht über ausreichend Personalressourcen verfügen, um Bewohnern Kontakte zu anderen Bewohnern zu vermitteln. Sozioökonomische Faktoren Wenn es um Altersarmut geht, erklären Politiker gerne, dass das Existenzminimum gesichert ist und niemand in Deutschland wirklich Not leiden muss. Die Realität sieht für viele, vor allem ältere, alleinstehende Frauen mit geringer Rente anders aus. Nach Angaben des Gesundheitsnetzes Deutschland sind aktuell drei Mil- lionen Rentner und Rentnerinnen in Deutschland von Altersarmut betroffen. Von einem Existenz- minimum leben zu müssen, macht es jedoch fast unmöglich, am sozialen Leben teilzuhaben. Der Einzelne kann dann schnell in der Einsamkeit landen mit all den phy- sischen und psychischen Folgen der sozialen Isolation. Gesundheitliche Ursachen Nicht zuletzt steht soziale Iso- lation auch immer im Zusammen- hang mit dem Gesundheits- und Allgemeinzustand. Die im Alter zunehmenden Einschränkungen der somatisch-funktionellen Fähigkeiten in Verbindung mit häufig vorkommender Multi- morbidität können den Willen des Einzelnen zur aktiven sozialen Teilhabe schwer beeinträchtigen. Viele Probleme ergeben sich dabei rund um die geriatrischen I‘s. Von den fünf Sinnen des Men- schen sind „Sehen“ und „Hören“ für die Orientierung und Sicher- heit des älteren Menschen beson- ders wichtig. Impaired eyes und Impaired ears , d. h. ein beein- trächtigtes Seh- und Hörvermö- gen, verringern die Mobilität und erhöhen gleichzeitig die Wahr- scheinlichkeit für folgenschwere Stürze und Verletzungen. Schlecht sehen und hören hat aber auch gravierende Auswirkungen auf Kontaktfähigkeit und Kommuni- kation, was oft den kompletten Rückzug aus dem gesellschaft- lichen Leben zur Folge hat. Eng im Zusammenhang mit Sehen und Hören ist die einge- schränkte Mobilität, die Immobili- tät , zu sehen. Sie führt dazu, dass ältere Menschen aufgrund von Schmerzen, der Angst vor Stürzen oder weil die diversen Erledigun- gen immer mühsamer werden das Haus bzw. die Wohnung kaum oder gar nicht mehr verlassen. Dadurch kann die Beschaffung von Lebensmitteln und infolge die Zubereitung von Mahlzeiten erschwert sein, sodass eine Man- gelernährung droht. Aber auch das eigene Heim kann zu einem Ort der Unsicherheit werden, wenn beispielsweise Treppen zu steil oder Gänge und Bäder zu eng sind. Eines der größten Probleme, das zur sozialen Isolation und Einsam- keit führen kann, ist jedoch das geriatrische I der Inkontinenz . Eine europäische Studie im Auftrag der HARTMANN GRUPPE (siehe Seite 4) hat ergeben, dass Inkontinenz nach wie vor ein gesellschaft- liches Tabuthema ersten Ranges ist. Beispielsweise haben 53% der Befragten noch nie mit ihrer Familie darüber gesprochen, dass sie an Harninkontinenz leiden. Um wie viel schwieriger muss es erst für alleinstehende, ältere Frauen und Männer sein, sich mit diesem für sie äußert peinlichen Problem an „Fremde“ zu wenden und um Rat und Hilfe zu bitten? Wege aus der Isolation Alte Menschen aus ihrer sozialen Isolation zu holen, kann eine komplexe Aufgabe sein. Dennoch lohnt sich jeder Versuch, ob als Ein- zelner, als Gruppe oder Institution. Die wich- tigsten Dinge sind dabei: den alten Menschen zuzuhören, ihnen Zuneigung zu zeigen, sie zu ihren Problemen zu beraten und für die indi- viduelle Situation passende Hilfe anzubie- ten. Hier nur ein paar Beispiele: Im häuslichen Bereich ist eine stärkere Vernet- zung all derjeniger gefragt, die sich um den alten Menschen kümmern – von den Ange- hörigen über Nachbarn und Bekannte bis hin zu Pflegediensten, Ärzten oder Apotheken. Diese Netzwerke können die reduzierten sozialen Bindungen kompensieren und wer- den in vielen Kommunen und von den Trägern der Wohlfahrtspflege unter dem Stichwort „Caring Community“ vorangetrieben. Eine gute Chance, allein lebenden Senioren zumindest zeitweise ein anregendes Umfeld zu bieten, stellt auch die Tagespflege dar. Wichtig ist aber – und das gilt noch stärker für die Vollzeitpflege –, dass gute Ansätze, Tages- gäste und Bewohner aus ihrer Einsamkeit zu holen, z. B. nicht durch starre Strukturen mit festen Zeitkorridoren oder – vor allem für Männer – wenig stimulierende Unterhaltungs- programme blockiert werden. Die gemein- same Anwesenheit in einem Raum garantiert allein noch keine sozialen Kontakte. Auch die Digitalisierung bietet Möglich- keiten. Während einige Wissenschaftler der Meinung sind, dass sie eine Zunahme von Ein- samkeit bewirke, sehen andere soziale Medien und Internetanwendungen sie als Chance, älteren Menschen die Möglichkeit zu geben, mit Familie und Freunden zu kommunizieren. Schwerpunkt 9 HARTMANN PflegeDienst 2/2019

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