Infektionen, die in zeitlichem Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme stehen, werden als nosokomiale Infektionen bezeichnet. Sie besitzen gegenwärtig eine erhebliche medizinische und gesundheitspolitische Relevanz. Auch zukünftig werden sie an Bedeutung zunehmen.
Damit eine wirksame Hygiene in der täglichen medizinischen und pflegerischen Praxis umgesetzt wird, sind unter anderem Kenntnisse über Krankheitserreger, deren Pathogenese sowie Verbreitung erforderlich. Aufgrund dieses Wissens können gezielte Maßnahmen im häuslichen bzw. ärztlichen Versorgungsbereich ergriffen werden. Der Personenkreis sowie die Institutionen, die sich hiermit auseinanderzusetzen haben, sind Pflege- und ärztliches Personal, aber auch Patienten sowie Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime und andere Gesundheitseinrichtungen.
Experten weisen in Fachpublikationen nachdrücklich darauf hin, dass etwa 20 bis 30 % der nosokomialen Infektionen durch die Einhaltung von geeigneten Hygienemaßnahmen vermieden werden könnten. Obwohl bereits heute viele hygienische Maßnahmen umgesetzt werden, kommt bei der Bekämpfung der nosokomialen Infektionen hinzu, dass viele der im Krankenhaus oder ambulant erworbenen Infektionen durch resistente oder durch multiresistente Erreger hervorgerufen werden. Und diese sind nur schwierig zu behandeln.
Eine der Hauptursachen für die Zunahme von Antibiotika-Resistenzen ergibt sich aus der unsachgemäßen Verordnung von Antibiotika: Unter dem sog. Selektionsdruck, der bei der Therapie durch die Gabe eines Chemotherapeutikums erfolgt, überleben nur die resistenten Keime und deren Nachkommen, sodass schließlich eine resistente Population die Infektion unterhält. Eine weitere Ursache für die Zunahme von Resistenzen können Mängel in der Hygiene sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich sein, sodass sich die resistenten Erreger leicht verbreiten.
Aus der in den USA durchgeführten SENIC-Studie geht hervor, dass beim Einsatz von ausreichend Hygienefachpersonal und der Durchführung der Surveillance nosokomialer Infektionen ca. ein Drittel aller Krankenhausinfektionen vermeidbar wäre. Die in den Jahren 1995 - 1999 durchgeführte NIDEP 2-Studie konnte nachweisen, dass durch geeignete Maßnahmen des Qualitätsmanagements auch in deutschen Krankenhäusern nosokomiale Infektionen um ca. ein Viertel reduziert werden könnten.
Wesentlich für die Prävention nosokomialer Infektionen ist auch der restriktive Einsatz aller Maßnahmen, die mit einer Durchbrechung der Haut oder Schleimhaut verbunden sind, sowie der restriktive Einsatz von Therapieformen, die zu einer Beeinträchtigung der Immunabwehr des Patienten führen.
Hände und Händedesinfektion
Man schätzt, dass etwa neunzig Prozent der exogen verursachten Infektionen (d. h. Infektionen, die durch Quellen verursacht werden, die außerhalb des menschlichen Körpers liegen), über die Hände übertragen werden. Aus diesem Grund kommt der hygienischen Händedesinfektion eine der wichtigsten Rolle zu – sie wirkt so als Prophylaxe gegenüber nosokomialen Infektionen.
Obwohl die Desinfektion der Hände wohl die wichtigste Maßnahme ist, ist sie aber gleichzeitig auch die einfachste Maßnahme, die im Rahmen einer Infektionsprophylaxe durchgeführt werden kann. Eingehalten werden muss bei der Händedesinfektion eine Einwirkzeit von mindestens einer halben Minute. So werden die sogenannten transienten Keime (oder Anflugkeime) abgetötet, die beispielsweise durch den Kontakt mit Flächen, Gegenständen oder Patienten auf die Haut gelangen.
Gerade bei häufiger Anwendung wird die Desinfektion der Hände besser vertragen als deren Reinigung mit Seife oder waschaktiven Substanzen. Auch ist von Vorteil, dass für eine hygienische Händedesinfektion kein Waschbecken zum anschließenden Abspülen benötigt wird. Dies ist insbesondere für die Händedesinfektion bei der Behandlung und Pflege bettlägeriger Menschen von Vorteil.
Die Händedesinfektion zur Vorbeugung nosokomialer Infektionen stellt somit die wichtigste pflegerische bzw. medizinische Einzelmaßnahme dar. Eine typische Situation für eine hygienische Händedesinfektion ist beispielsweise das Anlegen eines neuen Verbandes oder der Verbandwechsel.
Lange Zeit wurde eine Einreibemethode zur Händedesinfektion empfohlen, die auf den sechs Schritten der Wirksamkeitsprüfung von Händedesinfektionsmitteln nach europäischer Norm basierte. In einer vergleichenden Studie konnte gezeigt werden, dass diese starre Methode nicht sinnvoll ist. Die besten Ergebnisse werden mit der „eigenverantwortlichen Einreibemethode“ erzielt, wobei das Hautdesinfektionsmittel nach einer individuellen Methode über den erforderlichen Zeitraum (25 - 30 Sekunden) über sämtliche Bereiche der trockenen Hände eingerieben wird: Handinnenfläche, Handrücken, Fingerzwischenräume, Fingerkuppen, Nagelfalz und Daumen.
Wichtig ist eine vollständige Benetzung aller Bereiche über die gesamte Einwirkzeit des Händedesinfektionsmittels.
Für die Motivation und Compliance des Pflegepersonals ist es wichtig, dass die jeweils eigene (individuelle) Technik der Einreibemethode mittels spezieller Geräte (UV-Licht) regelmäßig überprüft wird. Hierbei werden auch die nicht oder nicht ausreichend desinfizierten Regionen sichtbar gemacht.
Zur hygienischen Händedesinfektion sind vorzugsweise Mittel auf Wirkstoffbasis Alkohol mit VAH / DGHM oder ÖGHMP zu verwenden.
Für die Compliance zur Händedesinfektion, also die Bereitschaft des Anwenders, die Händedesinfektion indikationsgemäß durchzuführen, spielen die Dauer der Einwirkzeit, der Geruch und – gerade bei einer Langzeitanwendung – die Hautverträglichkeit sowie die Pflegewirkung eine große Rolle.
Händewaschen mit Wasser und Seife versus Desinfektionsmitteln
In erster Linie dient das Händewaschen dem Entfernen von groben Verschmutzungen und stark anhaftendem Schmutz. Hier kann es sinnvoll sein, bis zur Erreichung einer sauberen Haut Seife oder andere waschaktive Substanzen (Syndets = synthetische Detergentien) zu verwenden.
Ein Händewaschen kann z. B. angezeigt sein:
- zu Beginn des Arbeit,
- vor bzw. nach Pausen bzw. vor und nach Mahlzeiten,
- vor bzw. nach dem Zubereiten von Haupt- und Zwischenmahlzeiten sowie
- nach einem Toilettenbesuch.
Bekannt ist, dass durch die Verwendung von Seife bzw. von waschaktiven Substanzen unter mikrobiologischen Gesichtspunkten keine relevant besseren Ergebnisse erzielt werden, als wenn nur Wasser allein verwendet wird. Oft werden Hautschäden im Bereich der Hände durch häufiges Händewaschen sowie durch den Kontakt mit ungeeigneten Reinigungsmitteln hervorgerufen. Tenside oder Seifen in Wasch- und Reinigungsprodukten entziehen der Haut Fette, sodass die Haut austrocknet, rissig und spröde wird. Ein übermäßig häufiges Waschen der Hände sollte deshalb vermieden werden.
Nach dem gründlichen Abspülen mit Wasser sind die Hände gründlich mit einem Einmalhandtuch zu trocknen und geeignete topische Pflegeprodukte anzuwenden, um einem Austrocknen der Haut vorzubeugen.
Empfehlungen zum Tragen von Schmuck und Piercings
Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e. V. (DGKH) hat zum 1. Oktober 2010 eine Empfehlung zum Tragen von Schmuck und Piercings in Krankenhäusern und Alten- und Pflegeheimen veröffentlicht. Hier wird z. B. darauf hingewiesen, dass laut TRBA 250 (Technische Regeln Biologische Arbeitsstoffe) aus hygienischer Sicht Ehe- und Schmuckringe, Armbanduhren, Armbänder und Freundschaftsbändchen bei Tätigkeiten, die eine Händedesinfektion erfordern, nicht getragen werden dürfen. Die Gründe hierfür sind:
- Ringe erhöhen die Kolonisation der Hände mit transienten gram-negativen Bakterien und Hefen.
- Ringe verschlechtern die Wirksamkeit der Händedesinfektion.
- Es können Desinfektionsmittelreste verbleiben, die unter Umständen eine Hautirritation hervorrufen.
- Es kann zu Patientenverletzungen kommen.
- Ringe mit Stein oder Schliff perforieren die Schutzhandschuhe. Damit ist die Schutzfunktion – sowohl für das Personal als auch gegenüber dem Patienten – nicht mehr gewährleistet.
Ein sichtbares Piercing an Händen und Unterarmen ist wie Schmuck zu betrachten und verboten. Generell ist ein Piercing (sichtbar / nicht sichtbar, z. B. Bauchnabel) bei Rötung, Schwellung oder Sekretion sofort zu entfernen, da Erreger in die Umgebung verteilt und somit Patienten infiziert werden können.
Fingernägel und Hände
Für die Gesunderhaltung der Hände ist von größter Wichtigkeit, Nässe zu meiden. Der sicherste Weg ist das Tragen geeigneter, flüssigkeitsdichter Einmalhandschuhe bzw. von Schutzhandschuhen. Dabei ist zu beachten, dass lange Tragezeiten im Handschuh ebenfalls ein schädliches feuchtes Milieu hervorrufen, sodass gegebenenfalls Baumwollhandschuhe untergezogen werden sollen. Auch latexfreie Handschuhe ohne allergene Wirkung tragen dazu bei, die Hände nicht übermäßig zu belasten und vor Allergien zu schützen.
Personalschutz
Deshalb bietet sich bei pflegerischen Tätigkeiten an, das Haupthaar zu Beginn der Pflege zusammenzubinden, hochzustecken oder mit einer geeigneten Kopfbedeckung zu versehen. Dies schützt vor möglichen Verletzungen und vor der Übertragung von pathogenen Keimen. Bei großflächigem oder langdauerndem Verbandwechsel sollte das Kopfhaar komplett bedeckt sein.
Schulungen, Fort- und Weiterbildungen
Ob eine Infektionsgefährdung besteht, ist auch stark davon abhängig, ob in den medizinischen und / oder pflegerischen Einrichtungen geeignete hygienische Maßnahmen getroffen wurden und ob vom Personal die vorhandenen Regeln im Klinik- und Praxisalltag auch eingehalten werden. In diesem Zusammenhang bietet sich eine regelmäßige Schulung des Personals zur Aktualisierung und Information von hygienischen Maßnahmen sowie zur Bekanntmachung eventueller Neuerungen zum Thema „Hygiene und Infektionsprophylaxe“ an.
Eigenverantwortliche Händedesinfektion
Die Einreibetechnik „eigenverantwortliche Händedesinfektion“ setzt voraus, dass der Anwender eigenverantwortlich handelt und bewusst sowie gewissenhaft auf die vollständige Benetzung der Hände achtet. Ausreichend Händedesinfektionsmittel in die trockene hohle Hand geben, sodass alle Areale der Hände satt mit dem Präparat benetzt werden können [1]. Händedesinfektionsmittel sorgfältig über 30 Sekunden in die Hände einreiben, dabei alle Hautpartien erfassen. Besonderes Augenmerk auf Fingerkuppen und Daumen legen [2]. Sie sind klinisch besonders wichtig, da sie am häufigsten in direktem Kontakt mit Patienten und potenziell verkeimten Oberflächen kommen. An den Fingerkuppen findet sich zudem die höchste Keimdichte im Vergleich zu anderen Hautpartien [3].
Prävention von nosokomialen Infektionen und Krankenhaushygiene im Infektionsschutzgesetz (IfSG), Stand Januar 2011, Robert Koch Institut, http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Praevention_nosokomial/Noso_infekt_01.pdf?__blob=publicationFile (11.03.2012) Compliance in der Umsetzung von Hygienerichtlinien, Wendt, C., Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz 2004, 47: 329 – 333 Pflegelexikon – Die Serie zum Sammeln, Händehygiene, Protz, K., Wund Management 04/2012, mhp-Verlag, Wiesbaden, 118 - 121 Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Wie viele gibt es wirklich? Eine Schätzung für das Jahr 20067, Gastmeier, P., Geffers, C., Dtsch. med. Wochenschr. 2008, 133: 1111 – 1115, Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York Händehygiene – Mitteilung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut, bearbeitet durch Kramer, S., Christiansen, B., Exner, M., Rotter, M., Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz, 2000, 43: 230 - 233 Springer Verlag 2000 Problemkeime erfordern penible Hand-Hygiene, N.N., Ärzte Zeitung 17.11.2006 WHO propagiert bessere Hygiene in Kliniken, N.N., Ärzte Zeitung 13.11.2006 Rahmen-Hygieneplan für ambulante Pflegedienste. Erarbeitet vom Länder-Arbeitskreis zur Erstellung von Hygieneplänen nach § 36 IfSG, Stand Mai 2003, http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tllv/medizinaluntersuchung/hyg_plan_ambulante_pflegedienste_thuer_endfass.pdf (11.03.2013) Gesundheitsberichterstattung der Bundes, Heft 8, Nosokomiale Infektionen, Robert Koch-Institut, Berlin, Juni 2002